- Literaturnobelpreis 1930: Sinclair Lewis
- Literaturnobelpreis 1930: Sinclair LewisDer Amerikaner erhielt den Nobelpreis für »seine starke und lebendige Schilderungskunst, gepaart mit dem Talent, mit Witz und Humor Typen zu schaffen«.Harry Sinclair Lewis, * Sauk Centre (Minnesota) 7. 2. 1885, ✝ Rom 10. 1. 1951; 1908 Studienabschluss an der Yale University, zahlreiche Reisen ins Ausland, verschiedene Tätigkeiten im Presse- und Verlagswesen, 1914 erste Buchveröffentlichung, 1926 Ablehnung des Pulitzerpreises, ab 1942 Aufenthalt überwiegend in Europa.Würdigung der preisgekrönten LeistungSinclair Lewis war nicht nur der erste Amerikaner, sondern auch der erste Bestsellerautor, der mit dem Nobelpreis bedacht wurde. Die Verleihung des Preises an ihn läutete ein Jahrzehnt ein, in dem Komitee und Akademie bei der Auswahl des Preisträgers auf dessen »allgemeine Nutzung« besonderen Wert legten.Harte KonkurrenzAuch der Amerikaner Theodore Dreiser, der, wie Lewis mit »Babbitt«, nur ein einziges Mal mit einem Werk »dauerhafte Monumentalität« erreicht hatte, besaß 1930 im Nobelkomitee gewichtige Fürsprecher. Letztlich wurde Lewis dem »schwerfälligen und ernsten« Dreiser mit der Begründung vorgezogen, dass »sein ganz anderer Charakter, seine Munterkeit und sein Esprit seinen gesellschaftskritischen Feldzügen die Form eines Festes verleihen«. Lewis »Humor« und sein »klarer« und »anschaulicher« Stil standen darüber hinaus für eine leichtere Zugänglichkeit.Ein wichtiges Kriterium für die Preisverleihung bildete Lewis Kenntnis der europäischen Kultur, die er in seinem Roman »Dodsworth« mit der Kritik an seinen Landsleuten vereint hatte, »was in einer zum Teil glänzenden Weise den von ihm angelegten Wertmaßstäben größere Unparteilichkeit und Ausgewogenheit verleiht«. Viele Kritiker waren der Meinung, andere hätten den Preis weit eher verdient, weil sie Lewis für zu naiv, einfach und populistisch hielten. Nach der Preisverleihung kursierte die Vermutung, die Schwedische Akademie habe Lewis nur deshalb auserwählt, weil seine Satiren dem schlechten Bild, das sich die Europäer von Amerika machten, entsprächen. Das Bild, das Lewis in seiner Rede zur Entgegennahme des Preises von den Vereinigten Staaten zeichnete, war jedoch nicht ausschließlich abwertend, sondern charakterisierte die negativen Seiten des amerikanischen Kleinstadtlebens geradezu liebevoll.Sinclair Lewis wurde in einer Kleinstadt in Minnesota als einziges Kind eines angesehenen Arztes geboren. Er las sehr viel, aber trotz seiner auffallenden intellektuellen Fähigkeiten fand er kaum Freunde. Nach seinem Abschlussexamen in Yale 1908 verbrachte Sinclair Lewis einige Jahre mit Reisen nach England und Panama. In dieser Zeit war er im Presse- und Verlagswesen tätig. Er entwickelte ein immer stärker werdendes Gespür für soziale Ungerechtigkeit, das ihn schließlich zur Beschäftigung mit dem Sozialismus und zu sozialem Engagement führte.Die 1920er-Jahre1914, kurz nach seiner Heirat mit Grace Hegger, veröffentlichte er unter dem Pseudonym Tom Graham seinen ersten Roman. Während der folgenden sechs Jahre widmete er sich der Schriftstellerei und veröffentlichte vier weitere Romane und zahlreiche Kurzgeschichten. Es sollten jedoch Jahre vergehen, bis ihm schließlich 1922 mit seinem Roman »Die Hauptstraße«, in dem er am Beispiel einer sensiblen jungen Heldin das trostlose Kleinstadtleben schildert, der literarische Durchbruch gelang. Der Roman stellt die scheinbare Idylle amerikanischer Kleinstädte mit ihrem Patriotismus und erstickenden Chauvinismus, mit ihrer kurzsichtigen Profitgier und kleinkarierten Anpassung infrage, die keinerlei Platz für jegliche Art von Individualität, Talent, Geschmack und Schönheit lässt.Die Turbulenzen um dieses Buch waren noch nicht abgeflaut, als zwei Jahre später sein Roman »Babbitt« erschien. Lewis satirischer Realismus und die an Charles Dickens geschulte Ironie erreichten in diesem Werk ihren Höhepunkt. Wie für seine anderen Romane hatte er monatelange Feldforschung in den entsprechenden Milieus betrieben und die verschiedenen Verhaltens- und Sprachgewohnheiten aufgezeichnet. So verwundert es nicht, dass dieser soziologisch fundierte Roman zur Illustration sozialkritischer Theorien diente.»Babbit« spielt in einer typischen amerikanischen Stadt namens Zenith in dem Fantasiestaat Winnemac. Die Denkweise der Gesellschaft in Winnemac wird von Profitgier bestimmt. Die damit verbundenen Anforderungen an den Menschen entstellen und zerstören dessen Träume. Georg F. Babbitt ist Immobilienmakler in Zenith. Er verkörpert den Prototyp des antiintellektuellen, selbstgerechten, kleinbürgerlichen amerikanischen Provinzlers, der hinter seiner bürgerlichen Maske den Traum von einem aufregenderen Leben träumt. Als er, in die mittleren Jahre gekommen, gegen die Geister, die er rief, aufbegehrt, ist es bereits zu spät. Er ist zu abgeklärt, zu wohlgenährt und zu rationalistisch, um den Weg zurück zu sich selbst zu finden. Die Versuche seiner Selbstentfaltung wirken lächerlich. Am Ende des Romans kehrt Babbitt zurück zu seiner konservativen Haltung und zu seinem leeren Leben.Für das beste Buch in Lewis' Blütezeit hielten die Zeitgenossen den 1925 erschienenen Roman »Arrowsmith«, der im Ärztemilieu spielt. Auch hier kreist die Thematik um Macht, Bestechlichkeit, scheinheilige Selbstgefälligkeit und deren Sieg über Reformbestrebungen. Die Hauptperson, Dr. Martin Arrowsmith, bemüht sich, innerhalb eines korrupten und unmenschlichen Gesundheitswesens unbestechlich zu bleiben. Das Buch wurde von Kritik und Publikum begeistert aufgenommen und für den Pulitzerpreis nominiert, den Lewis jedoch mit der Begründung ablehnte, die Verleihung eines solchen Preises bringe duckmäuserische Autoren hervor.1927 kritisierte Lewis in seinem Roman »Elmar Gantry« die Doppelmoral der amerikanischen Sekten. Der Roman löste eine Welle von Protesten aus. Geistliche verurteilten und verboten das Buch in einigen Gemeinden. Daraufhin schossen die Verkaufszahlen in die Höhe.Seine zahlreichen Europareisen verarbeitete Lewis im Roman »Dodsworth« (1929). Er behandelt die Problematik europäisch-amerikanischer Kultur im Zusammenhang mit der Geschichte des reichen Fabrikanten Dodsworth, der mit seiner Verlobten eine Reise nach Europa unternimmt.Lewis führte ein unbeständiges Leben. Er war häufig auf Reisen. 1928 ließ er sich scheiden, um die Journalistin Dorothy Thompson zu heiraten, von der er sich 1942 wieder trennte.Nach der Ehrung mit dem Nobelpreis publizierte Lewis zwar noch 20 Jahre, aber seine Veröffentlichungen erreichten nicht mehr die Qualität seiner früheren Werke. In Amerika war die Wirkung seiner Bücher nachhaltig, Wörter wie »Babbitt« für Spießer oder »Mainstreet« als Synonym für provinzielle Enge gingen in die amerikanische Sprachkultur ein.B. Rehbein
Universal-Lexikon. 2012.